Was zwischen den Zeilen klar wird, ist, dass die Wirtschaftsvertreter ihrem Minister klargemacht haben, dass sie nicht mehr viel Zeit haben. „Viele Unternehmen leiden – und das ist vielleicht noch die harmlose Formulierung – unter den hohen Energiekosten“, sagt Habeck. Hinzu kommen die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und die Konsumzurückhaltung der Menschen durch die hohe Inflation. Es ist eine gefährliche Mischung, mit der es die deutsche Wirtschaft gerade zu tun hat. Habeck weiß das und er verspricht zu helfen – doch das wird noch dauern. Der Wirtschaftsminister will sein sogenanntes Energiekostendämpfungsprogramm, das bislang vor allem großen Konzernen hilft, auf den Mittelstand ausdehnen. Bislang müssen Unternehmen nicht nur zu den sogenannten energieintensiven Branchen gehören, sondern auch einen großen Teil ihres Geschäfts im internationalen Wettbewerb machen, sodass sie die hiesigen Strom- und Gaspreise nicht an ihre Kunden weitergeben können, weil die dann bei Konkurrenten kaufen, die nicht in Deutschland produzieren. Lesen Sie auch Handwerker und die berühmten Bäckereien, aber auch viele andere kleine und mittelgroße Unternehmen können bislang nicht auf Hilfe hoffen. Das soll sich nun ändern, doch ausgerechnet jetzt beginnt der Wirtschaftsminister zu zaudern. Bislang bleiben die Pläne vage, welchen Unternehmen wie und in welchem Umfang geholfen werden soll. Noch ist man sich innerhalb der Bundesregierung nicht einig und Habeck will diesmal den Wirtschaftsvertretern mehr Zeit für ihre Stellungnahmen geben. Diesmal soll nichts schieflaufen. Lesen Sie auch Das Zögern dürfte auch eine Folge der vergangenen Wochen sein, in denen Habeck massiv in die Kritik geraten war und mehrfach bei entscheidenden Maßnahmen nachbessern und zurückrudern musste. Die Gasumlage wird derzeit überarbeitet, weil die mit heißer Nadel gestrickte Verordnung dazu führte, dass die Gaskunden mit der Umlage nicht nur insolvenzgefährdete Versorger retten sollten, sondern auch Unternehmen profitiert hätten, die Gewinne machen. Lesen Sie auch Ähnlich ergeht es Habeck nun auch mit der Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (EnSikuMaV). Nach Informationen von WELT aus Koalitionskreisen soll das Kabinett am Mittwoch über Änderungen an der Verordnung mit dem umständlichen Namen beraten. Unter anderem soll das in Paragraf 11 festgeschriebene Verbot von Leuchtreklame verkürzt werden. Bislang schreibt die Verordnung vor, dass der „Betrieb beleuchteter oder lichtemittierender Werbeanlagen ist von 22 Uhr bis 16 Uhr des Folgetages untersagt“ ist. Daran hatte es in den vergangenen Tagen vor allem Kritik aus der FDP gegeben. Künftig soll das Verbot nur noch in der Zeit von 22 bis 6 Uhr gelten, Ausnahmen soll es zudem für Firmen geben, die in dieser Zeit geöffnet haben und mit der Reklame auf sich aufmerksam machen: „Das Verbot des Betriebes lichtemittierender und beleuchteter Werbeanlagen wird auf den Zeitraum von 22 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages begrenzt. Weiter wird eine Ausnahmeregelung für Werbeanlagen hinzugefügt, die während der Öffnungszeiten auf Gewerbe und Beruf am selben Ort hinweisen“, heißt es in der Begründung des Entwurfs zur Änderung der Verordnung, die WELT in Auszügen vorliegt. Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium ließ eine Anfrage zur geplanten Änderung zunächst unbeantwortet. Lesen Sie auch Ausgerechnet jetzt, wenn es um die Existenz zahlreicher Unternehmen geht, will sich Habeck nun Zeit lassen, um keine Fehler zu machen. „Wenige Wochen“ werde es noch dauern, bis die Details für das dringend benötigte Hilfsprogramm feststehen sollen. „Wir sprechen nicht über Tage“, stellt Habeck klar. Es habe Gesetze gegeben, die man quasi übers Wochenende erarbeitet habe und bei dem die Wirtschaftsverbände nur Stunden hatten, um auf Fehler oder Probleme hinzuweisen. Diesmal soll es ausreichend Zeit geben, die Frage ist nur: Haben die Unternehmen so viel Zeit? Dass die Zeit drängt, weiß auch der Minister. Fast trotzig spricht Habeck davon, dass man den energieintensiven Unternehmen helfen müsse, „damit sie nicht aufhören zu produzieren oder pleitegehen“. Er bleibt bei der Unterscheidung, die ihm viel Kritik eingebracht hat, obwohl der Wirtschaftsminister recht hat, dass nicht jedes Unternehmen, das die Produktion zeitweise anhält auch zwingend in die Insolvenz geht. Doch noch ist sich nicht einmal die Bundesregierung über die Details einig. „Man wird noch ein paar Runden drehen müssen“, sagt Habeck, um festzulegen, welche Firmen eigentlich genau als energieintensiv gelten sollen. Zwar soll das Hilfsprogramm voraussichtlich auch rückwirkend schon ab Anfang September gelten. „Trotzdem ist Zeitdruck da“, gibt Habeck zu. „Es gilt, sich schnell in der Bundesregierung zu einigen.“ Lesen Sie auch Stahlindustrie fährt runter
Doch auch die rückwirkende Wirkung hilft den Unternehmen in Bedrängnis kaum. Denn noch können sie sich nicht sicher sein, ob sie überhaupt für Hilfen infrage kommen – unabhängig davon, ob sie rückwirkend gelten. Dafür müssten sie nämlich wissen, wie hoch der Anteil der Energie an den Produktionskosten mindestens sein muss, um als energieintensives Unternehmen eingestuft zu werden. Habeck spricht sich nur für einen „niedrigen einstelligen Prozentsatz“ aus. Im Programm für die internationalen Konzerne ist eine Hürde von drei Prozent vorgesehen. So hoch muss der Anteil der Energiebeschaffungskosten am Produktionswert im vergangenen Geschäftsjahr mindestens gewesen sein. Habeck deutet aber auch an, dass die Hürde diesmal auch bei vier Prozent liegen könnte. Was nach keinem großen Unterschied klingt, könnte in der Praxis aber dazu führen, dass sich zahlreiche Unternehmen doch knapp nicht für die Hilfen qualifizieren. Eine verlässliche Planung ist so bis auf Weiteres nicht möglich. Habeck macht immerhin Hoffnung, dass es innerhalb weniger Tage zumindest eine „Orientierung, wo die Reise hingeht“ hinbekommen könnte. An seinem Ministerium, das stellt Habeck klar, liege es nicht, seine Beamten könnten auch schneller ein entsprechendes Programm ausarbeiten. Viel Zeit wird er sich jedenfalls nicht lassen können, die Gespräche mit der Wirtschaft dürften sonst noch deutlich intensiver werden.