Snyder stellte klar, warum er gegangen war. Dass die linke Bundestagsfraktion in der vergangenen Woche ihre Abgeordnete Sahra Wagenknecht am Rednerpult stehen ließ, wohl wissend, was sie „anfangen“ würden, sei „übertrieben“, twitterte er. Schneider fuhr am Sonntag sogar als Gast der Klausurvorstandssitzung der Partei ins brandenburgische Rathenow – dort wurden aber offenbar die Konsequenzen nicht gezogen, die seinen Schritt hätten verhindern können. Am Montag verließ der bekannte ehemalige Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi die Partei.

Wagenknecht-Rede im Bundestag

Wagenknecht zeichnete in ihrer Rede ebenso wie AfD-Redner das Bild einer drohenden großen Katastrophe in Deutschland. Sie warf sich dann in die Bresche, weil sie Russland angegriffen hatte, was in ihrem Wörterbuch als Angriff auftauchte. „Das größte Problem ist Ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energieversorger zu führen“, wütete er auf die Kanzlerin und Ministerin, die sie als „dümmste Regierung Europas“ bezeichnete. Er forderte “ein Ende der tödlichen Wirtschaftssanktionen!” und “Lasst uns in Russland mit Russland über die Wiederaufnahme der Gaslieferungen verhandeln!”. Der bekannteste Linke-Politiker erhielt viel Applaus von der AfD. Auch vom eigenen Team gab es Applaus. Allerdings nur die Hälfte der Abgeordneten, etwa der Vorsitzende des Energieausschusses Klaus Ernst, der die Deals mit Putin unterstützt, oder die überzeugte Nato-Gegnerin Sevim Dagdelen. Die andere Hälfte der linken Abgeordneten blieb der Show aus Protest gegen die Entscheidung der Fraktionsführung, Wagenknecht das Wort zu erteilen, fern. Die Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali hatten trotz Einwänden an Wagenknecht festgehalten – sie hatten lediglich ein Versprechen gestrichen, sie nicht zur Eröffnung der Ostseepipeline Nord Stream 2 zu zwingen.

Heftiger Widerstand der eigenen Partei

Viele linke Politiker distanzierten sich nach Wagenknechts Rede. Ihre Forderungen widersprachen den Beschlüssen des Parteitags der Linken der Bundespartei, der Russlands Krieg verurteilt und Sanktionen befürwortet hatte. Der Parteiabgeordnete Lorenz Gösta Beutin warf Wagenknecht eine „Täter-Opfer-Umkehr“ vor. Der frühere Bundessekretär Jörg Schindler twitterte, die Linke vertrete im Bundestag nicht den Willen ihrer Abgeordneten, sondern „benehme sich wie ein arroganter Feudalgerichtsdreck“. Drei ostdeutsche Landespolitiker – Jule Nagel, Katharina König-Preuss und Henriette Quade – forderten in einem offenen Brief an Parteivorstand und Fraktionen die Entfernung Wagenknechts aus der Fraktion. Er habe “das Verteilungsunrecht in Deutschland gegen die angegriffene Bevölkerung in der Ukraine hochgespielt, Putin in die Hände gespielt und mit rechtspopulistischen Plattitüden Sendezeit verschwendet”. Außerdem müssen Barts und Muhammad Ali als Mannschaftskapitäne zurücktreten. Die Autoren erinnerten an frühere Äußerungen Wagenknechts zur Aufnahme von Flüchtlingen, zur europäischen Integration oder zu Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus, mit denen er sich gegen die Parteimehrheit stellte und sich den Rechtspopulisten annäherte. Angesichts des Verhaltens Wagenknechts sei die “Toleranzschwelle” längst überschritten, hieß es in dem Appell.

Warnung vor Spaltung der Partei

Das dürften auch die linken Präsidenten Janine Wissler und Martin Schirdewan ähnlich sehen. Sie würden es für falsch halten, das Wort zu teilen, und das der Fraktionsführung klar machen. „Wir glauben, dass die Abgeordneten, die für die Fraktion sprechen, die von der Linken beschlossenen Positionen vertreten sollten. Wenn du das nicht kannst, dann muss jemand anders sprechen“, sagten sie der „Frankfurter Rundschau“. Doch sie forderten am Wochenende keine Konsequenzen, sondern warnten nur davor, dass sich die Partei spalten könnte. Die Trennung besteht jedoch schon eine Weile, auch wenn sie noch nicht offiziell war. Offenbar befürchtet die Parteiführung, dass Wagenknecht als Opfer dargestellt werden könnte und die Linke, die nur dank dreier Direktmandate im Bundestag sitzt, weiter an Boden verliert.

Die Linke rechnet wie die AfD mit einem „heißen Herbst“

Aber das Wagenknecht-Lager seine Arbeit machen zu lassen, beschleunigt den Niedergang der Partei. Denn Wagenknecht hat deutlich gemacht, dass sie nicht zögern wird, denselben Weg wie die Rechtspopulisten zu gehen. Als Vorbild lobt sie die 70.000-köpfige Großdemonstration in Prag, bei der rechts und links gemeinsam gegen steigende Preise, EU und Nato protestierten.

				  						Elena Vizek 					  						Gepostet/aktualisiert: 						  							Empfehlungen: 12     

					Gepostet/aktualisiert: 						  										Empfehlungen: 1  

				  						Stefan Locke, Leipzig 					  						Gepostet/aktualisiert: 						  							Empfehlungen: 24  

Die Linke hat in ihrer Not einen “heißen Herbst” in Deutschland geprägt, auf den auch die AfD und rechtsextreme Verfassungsgegner setzen. Dass die Linkspartei, wie zuletzt in Leipzig, zu Montagsdemonstrationen aufruft, die von Rechtspopulisten missbraucht werden, die einst die Opposition der DDR gegen die friedliche Revolution bildeten, ist durchaus passend.