Seit Mai herrscht Schweigen zwischen Bundeskanzler Soltz und Kreml-Chef Putin. Nun haben beide erneut in einem Telefonat miteinander gesprochen. Die Kanzlerin drängte auf eine diplomatische Lösung des Ukraine-Krieges.

Seit dem letzten Gespräch von Bundeskanzler Olaf Solz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sind viele Wochen vergangen. Nun hat der Regierungschef den Gesprächsfaden wieder aufgenommen. In dem 90-minütigen Gespräch habe die Kanzlerin auf eine diplomatische Lösung des Ukraine-Krieges gedrängt, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.

Dies muss auf einem Waffenstillstand, einem vollständigen Abzug der russischen Truppen und der Achtung der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine beruhen. Die Kanzlerin machte auch deutlich, dass “weitere Annexionsschritte Russlands nicht unbeantwortet bleiben und keinesfalls anerkannt werden”, so Hebestreit weiter.

Scholz besteht auf einem Getreidedeal

Bei dem Gespräch ging es nach Angaben der Bundesregierung auch um die Situation im Kernkraftwerk Saporischschja. Scholz betonte die Notwendigkeit, die Sicherheit des von russischen Streitkräften besetzten Kernkraftwerks zu gewährleisten. Hebestreit kündigte an, dass er auch dazu aufrufe, Eskalationsschritte zu vermeiden und die im Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde vorgeschlagenen Maßnahmen unverzüglich umzusetzen.

Ein weiteres Thema war die durch den russischen Angriffskrieg besonders angespannte Welternährungssituation. Scholz appellierte deshalb an Putin, das mit der UNO und der Türkei vereinbarte Getreideabkommen weiter konsequent umzusetzen, um die durch den Angriffskrieg verschlechterte globale Ernährungssituation zu entspannen.

Vage Versprechungen des Kremls

Die Erklärung des Kremls zu dem Anruf deutete nicht darauf hin, dass Putin nachgeben würde. Der Präsident habe die Kanzlerin auf die “ungeheuerlichen Verletzungen” des humanitären Völkerrechts durch die Ukrainer aufmerksam gemacht, sagte er. Die ukrainische Armee beschießt Städte im Donbass und tötet dort Zivilisten.

Im Streit um die Gasversorgung betonte Putin, Russland wolle ein verlässlicher Energielieferant bleiben. Westliche Sanktionen haben jedoch eine ordnungsgemäße Wartung der Ostseepipeline Nord Stream 1 verhindert. Berlin hält diesen Grund für den bereits mehrfach vorgeschlagenen Lieferstopp durch die Pipeline für vorgeschoben. Laut Kreml soll Putin versprochen haben, dass das Rote Kreuz Zugang zu ukrainischen Kriegsgefangenen haben soll.

Laut seinem Sprecher hatte Soltz zuletzt Ende Mai mit Putin telefoniert. Gemeinsam mit dem russischen Präsidenten sprachen damals Soltz und der französische Präsident Emmanuel Macron. Nach dem Mai-Telefonat kam es im Kriegsgebiet zu weiteren dramatischen Entwicklungen. Russland ist Ende Februar in die Ukraine einmarschiert.

Die Ukraine meldet Landgewinne

Seitdem verteidigt sich das Land gegen die Aggressoren, auch mit Unterstützung aus dem Westen. In jüngerer Zeit meldete die Ukraine weitere Gebietsgewinne im Nordosten des Landes, was Hoffnungen auf eine Umkehrung des Krieges über die Ukraine hinaus schürte. Dementsprechend zogen sich die russischen Truppen nach ihrer Niederlage in der Region Charkiw aus den ersten Stellungen in der benachbarten Region Lugansk zurück.

Mit Hilfe westlicher Waffen will Kiew die Regionen Luhansk und Donezk zurückerobern. Russland hatte im Juli seine vollständige Besetzung von Luhansk angekündigt. Ukrainer halten nach eigenen Angaben derzeit etwa 40 Prozent des Territoriums in Donezk. Die russische Führung um Präsident Wladimir Putin ist trotz der Rückschläge gelassen. Eine Generalmobilmachung sei nicht geplant, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax. Konfliktparteien als Quelle Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern von offiziellen Stellen der russischen und ukrainischen Konfliktparteien können nach derzeitiger Lage nicht direkt von einer unabhängigen Stelle überprüft werden.

Bundeskanzler Scholz hat mit dem russischen Präsidenten Putin telefoniert

Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin, 13.09.2022 19:56 Uhr