Kampf/Militär

Am Wochenende feierte die Ukraine einen ihrer größten Erfolge seit Kriegsbeginn vor mehr als einem halben Jahr: Unter dem Druck seiner Gegenangriffe kündigte das russische Verteidigungsministerium am Samstag an, die eigenen Truppen aus der östlichen Region Charkiw abzuziehen. Mehr dazu. Nach Angaben aus Kiew hält der Vormarsch der ukrainischen Armee im Osten des Landes an. „Die Befreiung der Städte unter russischer Besatzung in den Gebieten Charkiw und Donezk geht weiter“, sagte der ukrainische Generalstab. Insgesamt wurden in den letzten 24 Stunden mehr als 20 Städte zurückerobert. Mehr dazu. Der Generalstab meldete in der Nacht zum Montag Kämpfe entlang fast der gesamten Frontlinie im Osten. Die Truppen durchkämmen die zurückeroberten Gebiete nach Kollaborateuren der russischen Besatzungsmacht. Außerdem würden Minen geräumt, teilte der Generalstab in seinem Lagebericht mit. Nach Angaben der Behörden wurden in einem zurückeroberten Dorf in der Nähe von Charkiw vier Leichen mit „Folterspuren“ entdeckt. Nach Angaben der regionalen Staatsanwaltschaft ergaben erste Ermittlungen, dass die in Salisnytschn aufgefundenen Personen “während der Besetzung des Ortes von russischen Soldaten” getötet wurden. Die ukrainische Armee eroberte nach eigenen Angaben auch rund 500 Quadratkilometer südlich zurück, was etwas größer wäre als das Gebiet Wiens.

Die raschen Erfolge der ukrainischen Streitkräfte hatten erhebliche Auswirkungen auf Russlands gesamte Operationspläne. Im Süden, in der Nähe von Cherson, hat die russische Armee laut britischen Geheimdiensten offenbar Mühe, genügend Nachschub über den Dnjepr an die Front zu bringen. Unterdessen sagt Russland, dass es Luftangriffe gegen ukrainische Truppen in der Region Charkiw durchführt. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau. Am Sonntag veröffentlichte das Ministerium eine Karte, die zeigt, dass sich fast alle russischen Einheiten aus der Region der Ostukraine zurückgezogen haben. Der Kreml hat heute erstmals auf den erfolgreichen Gegenangriff der Ukraine reagiert. Die russische Führung ist zuversichtlich, die Ziele der „Militär-Sonderoperation in der Ukraine” erreichen zu können. Bis dahin soll die Militäroffensive in der Ukraine laut Kreml-Sprecher Dmitri Peskow andauern. Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew seien derzeit nicht in Aussicht gestellt.

Angriffe auf zivile Ziele und kritische Infrastrukturen

Laut Gouverneur Oleh Sinegubov waren bis zum Morgen 80 Prozent der Strom- und Wasserversorgung in der Region Charkiw wiederhergestellt. Im Großraum Charkiw in der Ostukraine kam es am Sonntagnachmittag zu großflächigen Stromausfällen. Die Ukraine macht russische Angriffe auf wichtige Energieinfrastrukturen verantwortlich. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem Racheakt. Russische Truppen möchten der ukrainischen Bevölkerung Wärme und Licht rauben.

Diplomatie / Finanzen / Sanktionen

Angesichts der Erfolge der ukrainischen Offensive wird in Deutschland der Ruf nach mehr schweren Waffen für das angegriffene Land wieder lauter. In der Koalition drängen die deutschen Grünen und vor allem die FDP auf ihre Kapitulation. Der Ukraine müsse erlaubt werden, „ihr Land so weit wie möglich zu befreien“, sagte Grünen-Chef Omid Nuripour. Ab heute profitieren russische Staatsbürger nicht mehr von der vereinfachten Visaerteilung für Reisen in Schengen-Staaten. Das Visaerleichterungsabkommen zwischen der EU und Russland wurde nach einer Entscheidung der EU-Staaten in der vergangenen Woche für russische Staatsbürger nun vollständig ausgesetzt.

AKW Saporischschja

Die Internationale Atomenergiebehörde äußert sich vorsichtig optimistisch. Es gebe “Anzeichen”, dass sowohl die ukrainische als auch die russische Regierung an einer Einigung interessiert seien, um den Streit um die Atomanlage zu vermeiden, sagte IAEA-Generaldirektor Raphael Grossi in Wien. in Europa hatte internationale Ängste vor einer nuklearen Katastrophe geschürt. Laut Grossi ist die Lage rund um das Atomkraftwerk derzeit «stabil». Langfristig sei es jedoch “nicht tragbar”, wenn die Bombardierung fortgesetzt werde. Aus Sicht der IAEA sollten sich die Ukraine und Russland auf “ein einfaches Prinzip” einigen, sagte Grossi am Montag vor Reportern: “Das Kraftwerk weder angreifen noch beschießen.”

(Red/APA/Reuters/dpa)