Von Laura Esslinger 11.09.2022, 18:42
In Stuttgart steigt die Spannung. In wenigen Wochen geht die Porsche AG nach Jahren wieder an die Börse. Wie der Börsengang abläuft, was Mutterkonzern VW davon erwartet und was Anleger sonst noch über den Börsengang wissen sollten. Für Porsche heißt es spätestens Anfang Oktober: Rauf aufs Parkett. Sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat des Mutterkonzerns Volkswagen stimmten für die Premiere in Frankfurt. Kurz vor Kriegsausbruch in der Ukraine begann VW mit den Vorbereitungen für den Börsengang. Weil die Finanzmärkte seitdem aber so uneinheitlich reagiert haben, hat sich Wolfsburg mit der Überprüfung Zeit gelassen. Bis jetzt. Denn jetzt gibt es grünes Licht für die Porsche AG, nach vielen Jahren unter VW-Bewachung wieder unabhängiger zu werden. Der Stuttgarter Autobauer gehört erst seit 2009 zu VW. Die beiden Eigentümerfamilien Porsche und Piëch waren zuvor in einen erbitterten Machtkampf verwickelt. Porsche wollte damals den Wolfsburger Konzern übernehmen, scheiterte aber kläglich und wurde schließlich von VW selbst gekauft.
Warum geht Porsche an die Börse?
Nun muss der Luxus-Sportwagenhersteller bei VW Abhilfe schaffen. Anders als der VW-Konzern arbeitet Porsche sehr profitabel. Mehr als 300.000 verkaufte Autos lieferten zuletzt eine operative Umsatzrendite von 17,6 %. Der VW-Konzern schaffte nur acht Prozent. Ebenso zuversichtlich sagte Porsche-Chef Oliver Blume in diesem Frühjahr in einem Interview mit Capital: „Porsche ist eine starke Marke mit einem starken Geschäftsmodell, einer zukunftsweisenden Strategie und einer weltweiten Fangemeinde.“ Blume sitzt nun auch im Chefsessel von Volkswagen, sein Vorgänger Herbert Diess musste als Vorstandsvorsitzender zurücktreten. Wolfsburgs große Hoffnung: Der Börsengang der Stuttgarter bringt ihnen nicht nur eine schöne Finanzspritze, sondern steigert auch den Wert des angeschlagenen Mutterkonzerns VW. Die Volkswagen AG hat derzeit einen Börsenwert von 84 Milliarden Euro. Das ist nur ein Zehntel des Wertes von Konkurrenten wie Tesla und bedeutet im internationalen Vergleich nur eine Mittelposition.
Wie funktioniert ein Börsengang?
Mit dem „Go“ von Vorstand und Aufsichtsrat kündigte VW auch an, an die Börse gehen zu wollen („Intention to Float“). Die Gruppe muss nun innerhalb von zwei Wochen weitere Investoren anwerben. Mehrere dieser Gespräche stehen laut VW-Chef Blume noch aus. Danach beginnt die Zeichnungsfrist für Anleger („Bibliotheksverfahren“). In dieser Phase wird die neue Porsche Aktie in eine vorher festgelegte Preisspanne platziert und Investoren können darauf bieten. Diese Aufträge werden in einem digitalen Hauptbuch vermerkt. Spätestens nach einem Monat errechnet sich der Ausgabepreis der Aktie aus den abgegebenen Geboten. Der Aktienhandel beginnt normalerweise am nächsten Tag.
Lohnt es sich, in die Porsche-Aktie zu investieren?
Investoren finden in Porsche ein profitables Unternehmen mit stabilem Betrieb und stabilen Renditen. Das Automobilgeschäft ist in der Porsche AG konzentriert. Der Absatz von Modellen wie 911, Cayenne oder Panamera ist seit 2010 fast jedes Jahr gewachsen. Porsche könne langfristig ein operatives Ergebnis (EBIT) von 20 Prozent des Umsatzes erreichen, sagte Finanzvorstand Lutz Meschke.
VW Vorlieben 146,98
Auch für die Zukunft will sich der Autobauer aufstellen und gibt gleich mit mehreren Elektromodellen grünes Licht: Die Baureihen Cayenne und Panamera bieten fünf Plug-in-Hybrid-Varianten an, der vollelektrische Taycan hat acht Versionen.
Blume will den Anteil von E-Autos deutlich erhöhen. Der Konzern hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis 2025 die Hälfte der neuen Porsche-Modelle elektrisch sein soll. Dafür müssen Investitionen von mehr als 15 Milliarden Euro sorgen, die nicht nur in die Elektrifizierung, sondern auch in die digitale Transformation und eine nachhaltige Produktion fließen. Der Börsengang soll nun einen Teil dieses Geldes einsammeln.
Interessierte Anleger sollten sich darüber im Klaren sein, dass der Kreis der drei Unternehmen eng bleibt. Bei positiven oder negativen Nachrichten für eines der drei Unternehmen sind auch Schwankungen der Aktienkurse der anderen möglich. Die ehemaligen Aktien des Volkswagen Konzerns, Porsche SE (PSE) und Volkswagen AG, reagierten unterschiedlich auf die Ankündigung, dass die Porsche AG künftig auch an die Börse gehen wird: Während die Volkswagen-Aktie stieg, verlor die Porsche-Aktie an Wert.
Bekommen VW-Anleger neue Porsche-Aktien in ihr Depot?
Der Börsengang der Porsche AG ist einer der größten in Europa seit Jahren. Das Kapital des Sportwagenherstellers wird zu gleichen Teilen zwischen stimmberechtigten Stammaktien und stimmrechtslosen Vorzugsaktien aufgeteilt. Bis zu 25 Prozent dieser Vorzugsaktien sollen dann für alle frei handelbar sein. Dies entspricht etwa einem Achtel des gesamten Aktienbesitzes der Porsche AG. Die VW-Dachgesellschaft PSE erhält 25 Prozent der Stammaktien plus ein weiteres Wertpapier der Porsche AG. Damit sichert sie sich eine Sperrminorität und hat weiterhin den größten Einfluss auf das Geschäft von Porsche. VW-Anleger sperren die neuen Aktien der Porsche AG nicht automatisch in ihrem Depot. Indirekt sollen sie aber durch eine planmäßige Dividendenzahlung vom Börsengang profitieren. „Im Falle eines erfolgreichen Börsengangs wird die Volkswagen AG eine außerordentliche Hauptversammlung für Dezember 2022 einberufen“, teilte VW mit. Es soll vorschlagen, dass die Aktionäre “Anfang 2023 eine Sonderdividende von 49 Prozent des gesamten Bruttoerlöses aus der Platzierung von Vorzugsaktien und dem Verkauf von Stammaktien an die Aktionäre ausschütten”.
Wie teuer sind die Aktien?
Das Ziel von Blume und VW ist es, für den Börsengang eine möglichst hohe Unternehmensbewertung zu erzielen. Beobachter und Branchenkenner rechnen mit einem Wert der Porsche AG zwischen 60 und 80 Milliarden Euro. Der Verkauf der an alle Anleger handelbaren Vorzugsaktien würde 7,5 bis 10 Milliarden Euro einbringen. Wenn Investoren Porsche deutlich niedriger bewerten, wird VW noch etwas Zeit brauchen und den Börsengang verschieben. Der Konzern hat sich dafür die Hintertür offen gehalten und angekündigt, den Börsengang „vorbehaltlich der weiteren Entwicklung am Kapitalmarkt“ zu planen. Der Artikel erschien zuerst auf Capital.de.