Wenn Direktoren ihre eigenen Ausgaben genehmigen

Stand: 10:32 Uhr|  Lesezeit: 4 Minuten 
In vielen öffentlichen Einrichtungen ist es üblich, dass Chefs ihre eigenen Geschäftsreisen und Spesen genehmigen 

Quelle: image alliance/dpa Bei mehreren öffentlich-rechtlichen Sendern in Chefetagen gab es lange Zeit kein Vier-Augen-Prinzip für die Abrechnung von Dienstreisen und damit verbundene Spesen. Auf Anfrage von WELT AM SONNTAG gaben mehrere Sender Änderungen bekannt. Will Joachim Knuth auf Dienstreise gehen, muss er bislang nur bei einer Person um Zustimmung fragen: bei sich selbst, denn als Intendant des NDR unterschreibt er auch seine eigenen Spesen. Dies entspricht den Vorschriften des Senders. Kein Vier-Augen-Prinzip. Es gibt keine Außenansicht. Es wird nicht hinterfragt, ob die Reise und die damit verbundenen Ausgaben wirklich notwendig sind. Mangelnde Kontrolle ist in der ARD weit verbreitet. In fünf der neun Sender der ARD sowie im ZDF müssen die Leiter der Fernsehsender ihre Dienstreisen und privaten Ausgaben entweder nicht oder – rein formal – selbst genehmigen. Das teilten die einzelnen Sender auf Anfrage von WELT AM SONNTAG mit. Einige, darunter auch der NDR, haben angekündigt, diese Praxis abzuschaffen. Der Saarländische Rundfunk teilte mit, der Intendant habe Reiseanträge gestellt, es gebe aber keine Genehmigungsverfahren. Der Manager muss dem Vorstand nur jährlich über das in Rechnung gestellte Hosting Bericht erstatten. Auch beim Südwestrundfunk hat der Intendant seine Dienstreisen bisher selbst genehmigt und bezahlt. Auf Nachfrage sagte der Sender, das werde sich ändern. So auch bei Radio Bremen. Im RBB-Skandal ist die fehlende Kontrolle seit Jahren typisch. Dort galt die Regel, dass der Manager die Spesen selbst genehmigte, während die Arbeiter ihre Chefs dagegen genehmigen mussten. Jetzt sagt er: Das sei ein „Manko“, das behoben werde. Der NDR, ebenfalls im Zentrum der Enthüllungen, eilt zur Besserung: Künftig soll eine „Zustimmungspflicht“ für Regisseure in der Reisekostenverordnung verankert werden. Es gibt Institutionen, wo das schon passiert: Beim Westdeutschen Rundfunk prüfen und genehmigen der Rechtsberater und der stellvertretende Intendant die Auslagen des Intendanten. Auch beim Bayerischen Rundfunk gilt für Ausgaben das Vier-Augen-Prinzip. Deutschlandfunk lässt Rechnungen von einem externen Dienstleister prüfen und freigeben. Ähnliche Regelungen könnte es künftig auch in der ARD geben.

„Wir erhalten auch Informationen über andere ARD-Sender“

BR-Intendantin Katja Wildermuth spricht von „einzigartigen Ereignissen beim RBB“.  Eine Aussage, die Kayhan Özgenc, Chefredakteur von „Business Insider“, zum jetzigen Zeitpunkt „sehr mutig“ findet.  Es würde auch Informationen über andere ARD-Sender erhalten. 
Quelle: WELT / Tatjana Ohm 

Lockere oder nicht vorhandene Kontrolle durch die Unternehmensspitze ist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) eher die Regel als die Ausnahme. Viele Institutionen scheinen in ihrer inneren Situation aus der Zeit gefallen zu sein. Ein 2018 vorgelegtes Gutachten der WDR-Auftragsermittlerin Monika Wulf-Mathies lässt erahnen, wie groß die Probleme bei Europas zweitgrößtem Sender mit 4.300 Mitarbeitern sind. Nach umfangreichen Ermittlungen bei Mitarbeitern bestätigte Wulf-Mathies dem Kölner Rundfunk unter anderem die „Eigenentwicklung in den Führungsetagen“ und die „Abschottung und Festigung hierarchischer Strukturen“. Arbeiter beklagten ein „weniger respektvolles Arbeitsklima“, „Cliquen“ und „Altbetriebe“, die „eine einseitige Personalauswahl fördern“. Regisseur damals wie heute: ARD-Chef Tom Buhrow. Massive Probleme mit öffentlich-rechtlichen Sendern machen Wachhunde aufmerksam. Der Ingolstädter Medienwissenschaftler Prof. Klaus Meier hält die Mängel des Systems für berechtigt: „Die Arbeit und Strukturen von Rundfunk und Vorständen müssen dringend professionalisiert werden. Sie arbeiten ehrenamtlich, sie sind keine Experten und brauchen daher das Recht und ein Budget, mit dem sie Berichte und Studien in Auftrag geben können, zum Beispiel Programmanalysen oder Bürgerbefragungen, sie sehen sich eher als Interessenvertreter der jeweiligen Verbände und Organisationen“. als Regler im Sinne von Koeffizienten.

Eine effektive Kontrolle ist oft schwierig

Fakt ist: Im Gegensatz zu Aktiengesellschaften gibt es bei den öffentlich-rechtlichen Sendern oft kaum eine wirksame Kontrolle der Sender unter dem Direktor. Auf Anfrage von WELT AM SONNTAG teilte die Kommissionsstelle des NDR mit, dass weder der Rundfunkrat noch die Geschäftsführung in den vergangenen fünf Jahren einen Geschäftsführungsantrag ganz oder teilweise abgelehnt hätten, gleiches gelte für die Deutsche Welle. Andere Sender waren ausweichend oder gaben an, keine Statistik über Ablehnungen zu führen (wie MDR, SWR, RBB und SR). Immerhin: Beim WDR forderten die Gremien teilweise Nachbesserungen und stoppten eine Auftragsproduktion im Fall der geplanten mehrteiligen Serie „Siegfried und Roy“. Meier hält eine große Reform des ÖRR und der Kommissionen für überfällig. Das sei eine Frage der Politik: “Landtage könnten Gesetze und Rundfunkbedingungen ändern.” Doch darüber sei wenig zu hören: “Es könnte daran liegen, dass die Parteien glauben, dass sie von dem derzeitigen System profitieren, weil sie glauben, dass sie davon profitieren werden, da sie den Inhalt der Sendung beeinflussen können.” Hier finden Sie Inhalte Dritter Zur Anzeige der eingebetteten Inhalte ist Ihre widerrufliche Einwilligung zur Übermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich, da die Drittanbieter der eingebetteten Inhalte diese Einwilligung benötigen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem Sie den Schalter auf „on“ stellen, erklären Sie sich damit einverstanden (jederzeit widerrufbar). Dies umfasst auch Ihre Zustimmung zur Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten an Drittländer, einschließlich der USA, gemäß Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe a DSGVO. Hier finden Sie weitere Informationen dazu. Ihre Einwilligung können Sie jederzeit über den Schalter und über den Datenschutz unten auf der Seite widerrufen.
Lesen Sie auch