Länsmansgården ist ein solches Viertel auf der Insel Hisingen – mit fast 15.000 Einwohnern. Eine junge Frau steht vor dem einzigen Lebensmittelgeschäft des Bezirks und informiert Passanten über die bevorstehende Wahl. Im Auftrag des Nachbarschaftsvereins. Die 25-jährige Studentin Salha Abdukadir kam als kleines Kind mit ihrer Familie aus dem vom Krieg heimgesuchten Somalia nach Schweden. Sie berichtet von der wachsenden Gewalt in ihrer Gegend, die viele Menschen kaum noch in die Lage versetzt, ihre Häuser zu verlassen. Legende: „Schweden wird gut“: Die nationalkonservativen Schwedendemokraten sind auch im Göteborger Stadtteil Länsmansgården zu sehen. SRF/Bruno Kaufmann

Bandenkrieg am hellichten Tag

“Vor ein paar Wochen wurde vor diesem Laden ein junger Mann am helllichten Tag brutal ermordet”, sagt Salha Abdukadir. Nicht nur in Länsmansgården im Norden Göteborgs, sondern auch in vielen anderen abgegrenzten Stadtteilen größerer Städte kam es in der jüngeren Vergangenheit immer wieder zu Schießereien und Gewalttaten durch rivalisierende Banden und Banden. Legende: Salha Abdukadir verließ Somalia als kleines Kind nach Schweden. SRF/Bruno Kaufmann Für den erfahrenen Polizisten Christer Fuxborg geht es bei der Zunahme der Waffengewalt in den schwedischen Vorstädten vor allem um eines: „Der Drogenhandel ist in den letzten Jahren explodiert. Verschiedene organisierte Banden kämpfen um das lukrative Geschäft und bekämpfen sich mit immer brutaleren Methoden“, sagt Christer Fuxborg, der im vergangenen Jahr mit ansehen musste, wie einer seiner Kollegen von einem außer Kontrolle geratenen Drogenkurier in Länsmansgården ermordet wurde.

Die repressivste Drogenpolitik in Europa

Schwedens Drogenpolitik ist eine der repressivsten in Europa. Es wird nicht zwischen harten und weichen Drogen unterschieden. Im aktuellen Wahlkampf wagt sich jedoch niemand an die Möglichkeit einer Befreiung. Stattdessen überbieten sich politische Parteien gegenseitig mit Paketen zur Verbrechensbekämpfung. Dazu gehören auch Vorschläge zum Abriss gewaltgeplagter Stadtteile und zur Zwangsumsiedlung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Legende: Der Polizist Christer Fuxborg kämpft gegen den wachsenden Drogenhandel in Göteborg. SRF/Bruno Kaufmann „Das sind keine guten Ideen“, sagt Daniel Lagerås, Chef des Immobilienkonzerns Poseidon: „Anstatt etwas abzureißen, bauen wir hier etwas, die Stadt der Zukunft, in der sich alle wohlfühlen können“, erklärt Lagerås, dessen Unternehmen besitzt fast alle Grundstücke im Länsmansgården-Gebiet. Mit Unterstützung der Stadt Göteborg werden derzeit Millionen in die Sanierung dieses Stadtteils investiert. Es wurde ursprünglich in den 1960er Jahren für Industriearbeiter in einer Volvo-Fabrik hergestellt.

Junge Menschen wollen Perspektiven – und Strafen

Natürlich lassen sich über Jahrzehnte entstandene Probleme nicht über Nacht lösen. Auch der 17-jährige Student Azzam Alayoubi, der im betroffenen Gebiet lebt, fordert verschiedene Maßnahmen: „Die junge Generation muss aktiviert und mit Jobchancen ausgestattet werden. Aber es braucht auch härtere Strafen, besonders für junge Kriminelle“, sagt Alayoubi, der vor fünf Jahren mit seiner Familie aus Syrien nach Göteborg kam und jetzt in Länsmansgården lebt. Bildunterschrift: Azzam Alayoubi verließ Syrien vor fünf Jahren nach Schweden. Er fordert härtere Strafen für junge Straftäter. SRF/Bruno Kaufmann Schweden stimmt zu, dass die organisierte Drogenkriminalität ein großes Problem darstellt. Vor der Wahl am Sonntag gibt es jedoch viele Meinungsverschiedenheiten darüber, wie sie gelöst werden sollen. Die regierenden Sozialdemokraten tun sich schwer damit, jungen Menschen den Berufseinstieg zu erleichtern. Dazu tragen gewerkschaftlich durchgesetzte Arbeitsgesetze bei. Im Lager der Opposition heizen derweil die nationalistischen Schwedendemokraten die Stimmung gegen zugewanderte Bevölkerungsgruppen an. Vor der Wahl am Sonntag treten die verschiedenen politischen Lager in Schweden unnachgiebig und kompromisslos auf, was für das Land ungewöhnlich ist.

Energie: Wasser, Wind und Atome

Auch in Schweden dreht sich die politische Debatte derzeit sehr stark um hohe Energiepreise. “Uns steht ein Kriegswinter bevor”, warnte die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson in der jüngsten Wahldebatte des öffentlich-rechtlichen schwedischen Senders SVT und legte noch einen drauf: “Putin darf uns nicht spalten.” Legende: Keine Kompromisse: Schwedens sozialdemokratische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson und ihr konservativer Rivale Ulf Kristersson. KEYSTONE-NACHRICHTENAGENTUR/EPA TT/CHRISTINE OLSSON Der konservative Kandidat für Anderssons Sitz, Ulf Kristersson, machte dem Sozialdemokraten hingegen Sondierungs-Strompreise vor: “Die Stilllegung von vier Atomreaktoren in den letzten vier Jahren hat uns in diese Situation gebracht.” 2016 einigte sich die sozialdemokratische Minderheitsregierung mit anderen Parteien im Parlament – ​​darunter den Konservativen – auf einen Fahrplan zum Atomausstieg bis 2040 im Vorfeld des Pariser Klimaabkommens.

Nukleare Renaissance?

Im aktuellen Wahlkampf fordern nun aber drei städtische Oppositionsparteien zusammen mit den nationalkonservativen Schwedendemokraten, die das internationale Klimaabkommen ablehnen, eine Wiederbelebung der Atomkraft. In den letzten Jahrzehnten war dies neben der Wasserkraft die Hauptstromversorgung im größten nordischen Land. Doch schon 1980 stimmte eine deutliche Mehrheit der Schweden in einem Referendum für den Atomausstieg. Seitdem haben weder die Sozialdemokraten noch die bürgerlichen Parteien aufgrund innerparteilicher Auseinandersetzungen Interesse an einer Wiederholung dieses Referendums. Stattdessen wurden – wie in den vergangenen sechs Jahren – immer wieder große parlamentarische Kompromisse geschmiedet. Wie bei der Verbrechensbekämpfung gibt es auch in der Energiefrage derzeit zwei ideologisch unvereinbare Blöcke.

Standort für nukleare Tiefenlagerung

Ein Blick auf Schwedens größten Nuklearstandort Forsmark, 140 Kilometer nördlich von Stockholm, macht deutlich, dass auch gemeinsame Lösungen möglich sind: etwa in der Frage eines nuklearen Tiefenlagers für hochradioaktiven Abfall. „Wir sind bereit, die Verantwortung für die Lagerung dieser Abfälle zu übernehmen“, sagt Jacob Spangenberg, Bürgermeister der Gemeinde Östhammar, in der nicht nur die drei Kernreaktoren des Kernkraftwerks Forsmark stehen, sondern auch das erste Tiefenlager soll gebaut werden. in den nächsten Jahren gebaut. Dieser Vereinbarung, die Anfang dieses Jahres getroffen wurde, ging ein fast zwei Jahrzehnte andauernder Konsultationsprozess zwischen der Nuklearindustrie, den Behörden und der lokalen Bevölkerung voraus. Bildunterschrift: Das Kernkraftwerk Frosmark ist das größte der drei verbleibenden Kernkraftwerke Schwedens. REUTERS/Scanpix/Bertil Ericson Weitere 350 Kilometer sind es nach Härnösand, der Provinzhauptstadt von Ångermanland: Vor fast 40 Jahren wurde hier an der windigen und welligen Ostseeküste Schwedens erster Windpark eröffnet. „Heute produzieren wir im Gemeindegebiet fünfmal mehr Strom als wir selbst verbrauchen“, sagt der sozialdemokratische Bürgermeister Andreas Sjölander. Im vergangenen Jahr wurde in Hästkullen in Härnösand der bisher größte Onshore-Windpark eröffnet: Seitdem erzeugen 114 Windturbinen mit bis zu 220 Metern Höhe Strom für den schwedischen Markt.

Widerstand gegen Windenergie

Windkraft sorgt aber auch in Schweden für Hitzköpfe: Im aktuellen Wahlkampf sprechen sich die rechtspopulistischen Schwedendemokraten und die mit ihnen zusammenarbeitenden städtischen Parteien gegen einen weiteren Ausbau der Windkraft aus. Wenn ihrer Meinung nach zukünftige Windparks nur noch offshore gebaut werden sollten. Im Gegensatz zum benachbarten Dänemark, wo ein Großteil der Windenergie – die die Hälfte des Strombedarfs des Landes deckt – auf See liegt, gibt es in Schweden nur wenige sogenannte Offshore-Anlagen.

Schweden wählt – die Ausgangsposition

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