Die rechtspopulistische Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini erhält 12 Prozent, die rechtskonservative Forza Italia des langjährigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi 7,7 Prozent. Das Mitte-Rechts-Bündnis aus Fratelli d’Italia, Lega und Forza Italia könnte damit eine relative Mehrheit im neu gewählten Parlament gewinnen. AP/LaPresse/Roberto Monaldo Ehemaliger EZB-Chef und scheidender italienischer Ministerpräsident Mario Draghi
Draghi die beliebteste Persönlichkeit
Die vom ehemaligen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte geführte Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), die bei den Parlamentswahlen 2018 als stärkste Einzelpartei hervorging und sich im Juni von Außenminister Luigi Di Maio abspaltete, liegt bei 13,8 %. Im Juli zerbrach die Regierungskoalition von Mario Draghi. Vorgezogene Parlamentswahlen sind für den 25. September geplant. Bisher hat Italien sein Parlament noch nie im Herbst gewählt. Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) und scheidende Premierminister Draghi ist laut Umfrage Italiens beliebteste Figur mit 67 Prozent Zustimmung. Der ehemalige Ministerpräsident und Fünf-Sterne-Chef Giuseppe Conte kam mit 43 Prozent auf den zweiten Platz. Meloni belegte mit 41 Prozent den dritten Platz. Die italienische Online-Zeitung Il Post hat einige der neuesten Umfragen zusammengestellt, die ein ähnliches Bild zeigen: Wachstum der Fratelli d’Italia gegenüber der PD. Anfang August lagen die beiden Parteien bei 22,23 % fast gleichauf. Einigen Umfragen zufolge konnte Fratelli d’Italia seinen Vorsprung um durchschnittlich 4 % ausbauen.
Wie führt man Wähler zu den Urnen?
Die Mobilisierung der Wähler wird in Zeiten politischer Frustration als entscheidend für diese Abstimmung angesehen. Stimmenthaltung ist also das große Spektrum dieser Wahlen. Laut Meinungsumfragen könnten es 35 Prozent sein, was etwa 16 Millionen Wählern entspricht. Die Beteiligungsquote beträgt in diesem Fall 65 Prozent. Dies wäre die niedrigste Beteiligung an Parlamentswahlen in der Geschichte der italienischen Demokratie und verheißt nichts Gutes für das neu gewählte Parlament. Bei der letzten Bundestagswahl 2018 wurde die höchste Enthaltungsquote seit 1948 gemeldet. 27 Prozent der Wahlberechtigten gingen nicht zur Wahl. Reuters/Guglielmo Mangiapane Matteo Salvini, ehemaliger Innenminister und Vorsitzender der Liga
Wahlversprechen werden rückgängig gemacht
Wirtschaftsthemen dominieren den Wahlkampf. Steuern, Beschäftigung, Energiepreise und Inflation werden heiß diskutiert. Parteien machen großzügige Wahlkampfversprechen, die nur durch höhere Haushaltsdefizite finanziert werden können. Liga-Chef Salvini forderte zum Beispiel eine Vollrente nach 41 Beitragsjahren, ein großes Konjunkturpaket und Steuersenkungen. Die Mitte-Rechts-Partei hofft, die Wähler mit dem Versprechen einer Einheitssteuer für Arbeitnehmer und Selbständige zu überzeugen. Laut Lega soll der Steuersatz 15 Prozent betragen, laut Silvio Berlusconis Forza Italia 23 Prozent. Davon sollen Italiener mit einem Jahreseinkommen von bis zu 70.000 Euro profitieren.
Berlusconi setzt auf die Alten
Laut Salvini ist die Einheitssteuer das Mittel, mit dem sich Italiens Wirtschaft nach zwei Jahren Pandemie und Energiekrise erholen könnte. Unklar bleibt, wie diese Maßnahmen konkret finanziert werden könnten. Laut Mitte-Links-Parteien würde die Flat Tax die Schulden Italiens nur erhöhen. Steueramnestie ist ein weiterer Wahlvorschlag von Salvini. Der viermalige Ministerpräsident und Chef der rechtskonservativen Forza Italia, Berlusconi, hat in diesem Wahlkampf einmal mehr große Versprechungen gemacht. Er kündigte an, die Mindestrente im Falle eines Wahlsiegs seines Mitte-Rechts-Bündnisses auf 1.000 Euro im Monat zu verdoppeln. Darüber hinaus sollten ältere Menschen mit Mindestrenten kostenlose zahnärztliche Versorgung erhalten. Berlusconi will auch in italienischen Städten eine Million Bäume pflanzen. AP/LaPresse/LaPresse Der frühere mehrfache Premierminister und Chef von Forza Italia, Silvio Berlusconi
Sozialdemokraten: 10.000 Euro zum 18. Geburtstag
Die Sozialdemokraten von der PD warnen vor der Einführung einer Flat Tax und fordern stattdessen eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten, um Unternehmen und Arbeitnehmer zu entlasten. Die PD versprach auch, eine Arbeitsmarktreform nach spanischem Vorbild zu verabschieden, die den Spielraum für befristete Verträge einschränken würde. Eine „Mitgift“ von bis zu 10.000 Euro für Jugendliche ab dem 18. Lebensjahr wird laut dem 37-seitigen Programm der Partei auch von den Sozialdemokraten gefordert. „Junge Menschen sind die treibende Kraft für Italiens Zukunft“, sagte Parteichef Enrico Letta. Die „Mitgift“ soll jungen Menschen dabei helfen, eine Weiterbildung zu finanzieren, eine Wohnung zu bezahlen oder eine freiberufliche Karriere zu starten. Die Partei schlägt auch eine staatliche Garantie für Hypotheken zum Kauf einer Wohnung, eine Abgabe von 2.000 Euro für Studenten zur Zahlung ihrer Miete und eine Absenkung des Wahlalters von 18 auf 16 vor.
Bekämpfung der Steuerhinterziehung
Während die Rechte ihre Wahlprogramme auf Steuersenkungen und die Begrenzung der Einwanderung konzentriert, engagiert sich die PD für die Erhöhung der Sozialleistungen und Löhne. “Wir wollen die Nettolöhne um ein zusätzliches Monatsgehalt pro Jahr erhöhen”, heißt es in dem Programm. Dies soll dadurch erreicht werden, dass der Staat die derzeit von Arbeitnehmern gezahlten Sozialversicherungsbeiträge aufnimmt, wobei das System durch die Bekämpfung von Steuerhinterziehung finanziert wird. Sowohl die rechten Parteien als auch die PD sprechen sich dafür aus, das 2019 eingeführte „Reddito di cittadinanza“, eine Art Grundeinkommen für einkommensschwache Familien, abzuschaffen. In ihrer jetzigen Form ist die Mindestsicherung für Staatsgelder sehr teuer. Rechte Parteien kritisieren, dass dies kaum Anreize zur Arbeitssuche schaffe und ein Grund für Personalengpässe in bestimmten Wirtschaftszweigen wie Tourismus und Gastronomie sei.
Gender und Migration als Dauerthemen
Melonis Fratelli d’Italia setzt im Wahlkampf auf altbekannte Themen. In jüngerer Zeit waren sie besorgt darüber, dass Italiens Kinder einer „inakzeptablen Geschlechterindoktrination“ ausgesetzt seien. Grund dafür war der Plan des öffentlich-rechtlichen Senders RAI, eine neue Folge der Zeichentrickserie „Peppa Pig“ auszustrahlen, in der die Protagonistin Penny Eisbär mit zwei Müttern zusammenlebt. Aber auch das Dauerthema Einwanderung liefert politischen Zündstoff im Wahlkampf. Wegen der wachsenden Zahl von Asylbewerbern warnen rechte Parteien, dass bis Ende des Jahres mehr als 100.000 Migranten über das Mittelmeer nach Italien gelangen könnten. Linke Parteien und Menschenrechtler waren empört über Melonis Aufruf zu einer Seeblockade vor der Küste Nordafrikas. Meloni fordert außerdem die Einrichtung von Flüchtlingslagern in Afrika und das frühzeitige „Screening“ von Nicht-Asylberechtigten. Auch der frühere Innenminister und Liga-Chef Salvini hofft auf die Rückkehr seiner Politik der “geschlossenen Häfen” mit einer rechten Regierung. Salvini hatte sich während seiner Amtszeit als Innenminister von Juni 2018 bis August 2019 wiederholt geweigert, Rettungsschiffen von Hilfsorganisationen das Auslaufen in italienischen Häfen zu gestatten, und hunderte Migranten tagelang auf See bleiben lassen, bis andere EU-Staaten der Aufnahme zustimmten. Im Gegensatz zur fremdenfeindlichen Einwanderungspolitik rechter Parteien fordern linke Parteien stärkere Anstrengungen zur Integration von in Italien lebenden Migranten. So wollen die Sozialdemokraten beispielsweise neue Einbürgerungsregeln, die es Einwandererkindern ermöglichen, die in Italien zur Schule gehen, vor dem 18. Lebensjahr die italienische Staatsbürgerschaft zu erwerben.