Es gab und gibt viele Ansätze, die im Mausmodell greifen. Nur wenige wurden für Kurse bei progredienter MS zugelassen, und zwar mit eher schwacher Wirksamkeit (siehe auch AMSEL-News-Rubrik „progressive/progressive MS“). Und im heutigen Fall wäre es unverantwortlich, zu viel Hoffnung zu machen.

Zweck der Forschung: Bessere Lebensqualität bei fortgeschrittener MS

In Medrysons Fall betrafen die bisherigen Erfolge nur ein MS-Mausmodell. Es ist jedoch erwähnenswert, weil es einmal mehr zeigt, dass Forscher auf der ganzen Welt hart daran arbeiten, bessere Behandlungen für MS zu finden. Und: Je mehr neue Ansätze entdeckt werden, desto größer ist die Chance, dass einige davon zu wirksamen Behandlungen führen und die Lebensqualität von Menschen mit fortgeschrittener MS verbessern. Über die Studie: Ein Forscherteam um Professor Patrick Küry in Düsseldorf konnte an einem Mausmodell zeigen, dass das Kortikosteroid Medryson dabei hilft, verlorene Zellen zu ersetzen und auch Myelinscheiden wiederherstellen kann. Wenn sich diese Ergebnisse auf MS-Patienten übertragen ließen, dann wäre es möglich, Menschen mit fortgeschrittener MS besser zu helfen und möglicherweise – bisher noch ein wilder Traum in der MS-Behandlung – verlorene Funktionen teilweise wiederherzustellen.

Eine Maus ist kein Mensch

An dieser Stelle sei betont, dass Mäuse keine Menschen sind und die murine MS nur begrenzte Parallelen zur menschlichen MS aufweist. Darüber hinaus muss Medryson in der erforderlichen Dosis sicher sein, Nutzen und Risiko von Nebenwirkungen müssen vertretbar sein, und all dies muss in umfangreichen Studien nachgewiesen werden. Der Vorteil: Wenn es diese Anforderungen erfüllt, könnte es etwas schneller gehen als mit einem ganz neuen Wirkstoff. Denn: Medryson ist ein bereits zugelassenes Arzneimittel in Form von Augentropfen. Es gehört zur Klasse der Kortikosteroide und ist zur Behandlung von entzündlichen Augenerkrankungen und allergischen Augenreaktionen zugelassen. Was seine neurologischen Wirkungen betrifft, ist es bisher kaum untersucht. Das Medikament ist derzeit in Deutschland nicht erhältlich. Das Forschungsteam um Professor Patrick Küry untersucht seit vielen Jahren degenerative und regenerative Prozesse im ZNS, auch mit dem Ziel, Wirkstoffe zu finden, die den Regenerationsprozess in Gehirn und Rückenmark fördern. Das Düsseldorfer Team konnte in ihrer Studie zeigen, dass Astrozyten spezifisch auf Myelinschäden reagieren. Es entstehen Subtypen, die teilweise die Regeneration und teilweise den Zerstörungsprozess fördern. Diese Verfahren sind äußerst komplex.

Unerwartete Wirkung von Medryson auf Astrozyten-Subtypen

Unerwartet für Forscher der Klinik für Neurologie des Universitätszentrums Düsseldorf förderte Medryson (hier als Injektion verabreicht) im Mausmodell Subtypen von Astrozyten, die für Gewebeschutz und Remyelinisierung verantwortlich sind, und unterdrückte diejenigen, die weitere Schäden verursachen würden. „Diese Studie deutet auch darauf hin, dass dieses Medikament als potenzielle Behandlung von MS im Endstadium nützlich sein kann, bei der regenerative Prozesse allmählich versagen“, schlussfolgern die Forscher aus ihren Ergebnissen, bestätigen aber auch, dass hier weitere Studien erforderlich sind, auch vor dem Hintergrund dass Mäuse und Menschen Unterschiede in der Reaktion ihrer ZNS-Zellen zeigen.