Fachkräftemangel: “Es ist extrem” – Jeder Sechste arbeitet für den Staat
Der Bund lockt mit höheren Gehältern als in der Privatwirtschaft. Immer mehr Absolventen gehen in den öffentlichen Dienst – und der Fachkräftemangel in den Unternehmen nimmt zu. 1/8 Das Parlamentsgebäude in Bern lockt mit hohen Gehältern. 20 Minuten/Simon Glauser Die Gehälter sind im Durchschnitt deutlich höher als in der Privatwirtschaft, wie eine Studie zeigt. 20 Minuten/Simon Glauser Dadurch nimmt der Fachkräftemangel in der Privatwirtschaft weiter zu. 20 Minuten/Simon Glauser
In den letzten zehn Jahren hat der Staat weitaus mehr Personal eingestellt als die Privatwirtschaft. Der durchschnittliche Bundeslohn beträgt 117’176 Franken pro Jahr. Diese kostet 6082 Franken pro Einwohner.
Neben Versorgungs- und Energieproblemen ist der Fachkräftemangel die größte Sorge der Wirtschaft. Der Staat ist der größte Arbeitgeber. Laut einer Studie des Instituts für Schweizerische Wirtschaftspolitik der Universität Luzern wuchsen die Vollzeitstellen von 2011 bis 2019 um 13,6 Prozent, verglichen mit nur 9,7 Prozent in der Privatwirtschaft. Damit arbeiten 9,7 Prozent der Erwerbstätigen in der Schweiz für Bund, Kantone oder Gemeinden. Zusammen mit staatseigenen und staatseigenen Unternehmen wie Post, SBB und Kantonalbanken stieg der Anteil auf 16,6 %. Das ist jeder sechste Arbeitnehmer in der Schweiz. Auch die Bundesbelegschaft ist zunehmend akademisch. Der Anteil der Arbeitnehmer mit Universitäts- oder Fachhochschulabschluss ist in den letzten zehn Jahren um 17 Prozentpunkte gestiegen. In den Kantonen und Gemeinden war die Zunahme einstellig.
6082 Franken pro Einwohner
Die Kosten für das Staatspersonal betragen heute 6082 Franken pro Einwohner und sind damit höher denn je, sagt Studienautor Christoph Schaltegger.
26 Prozent höhere Kosten
Mit dem zusätzlichen Personal steigen auch die Kosten. Von 1995 bis 2019 sind sie inflationsbereinigt um 26 % gestiegen. Also mitten in Europa. Bundesgehälter sind vergleichsweise hoch. Angestellte in der Bundesverwaltung erhielten 2019 durchschnittlich 117’176 Franken, in der Privatwirtschaft waren es 88’896 Franken. Zudem habe der Bund Annehmlichkeiten wie flexible Arbeitsmodelle, gute Sozialleistungen und Arbeitsplatzsicherheit, so Schaltegger. Schaltegger führt den Lohnunterschied auf Spezialisierung und akademische Ausbildung im Management zurück und geht von einer Fortsetzung des Trends aus. “Bei politischen Trendthemen wie der Energiepolitik spricht vieles für mehr Staatsausgaben, was in der Regel mehr Personal bedeutet.” Da die Bundesregierung noch nicht hochgradig digitalisiert ist, muss man davon ausgehen, dass vieles effizienter gestaltet werden kann. Personalexpertin Karin Signer ist von den Ergebnissen der Studie überrascht: «Dass jeder sechste Arbeitnehmer auf dem Schweizer Markt für den Staat oder ein Staatsunternehmen arbeitet, ist extrem hoch.» Auch beim Gehalt ist sie misstrauisch: “Die hohe akademische Qualifikation erklärt teilweise das Gehalt, aber es kommt mir trotzdem extrem hoch vor.” Das macht es für die Privatwirtschaft noch schwieriger, gute Leute zu finden. Zumal es im Bund stabile und sichere Strukturen gibt, was in der Privatwirtschaft heute nicht mehr der Fall ist. Der Bundesverband der Steuerzahler findet die Ausweitung des Staates “unbestreitbar”. CEO Thomas Fuchs sagt, er warne seit Jahren vor dieser Entwicklung, sie lähme die Schweizer Wirtschaft und Innovationskraft. “Die Lohnentwicklung geht in die falsche Richtung und schadet der Privatwirtschaft.” Auch das Risiko, den Job in der Privatwirtschaft zu verlieren, ist deutlich höher. Auch die Akademisierung sieht Fuchs als besorgniserregende Entwicklung, die zu mehr Bürokratie beitrage. Die Bürger verstehen immer weniger, was in der Verwaltung vor sich geht. „Das Bundesland unterscheidet sich zunehmend vom Bevölkerungsdurchschnitt“, sagt Fuchs.
„Die Privatwirtschaft ist in höheren Positionen noch attraktiver“
Auch die Wirtschaftlichkeit ist entscheidend für das Wachstum. Sie haben aber auch Interesse an einer effektiven öffentlichen Verwaltung, sagt Simon Wey, Chefvolkswirt beim Arbeitgeberverband. Hinzu kommt, dass der Ausbau auch der Gesetzesflut aus dem Parlament geschuldet ist, die den Bedarf an Verwaltungspersonal antreibt. Was die Löhne anbelangt, sagt Wey, die Bundesregierung habe keine Prämien, weniger Nebenleistungen und weniger Aufstiegsmöglichkeiten. „Wenn man es bedenkt, ist ein Job im Management, insbesondere in leitenden Positionen, in vielen Fällen weniger attraktiv als in der Privatwirtschaft“, sagt Wey. Die Bundesregierung begründet den Personalaufbau mit neuen Aufgaben. Anand Jagtap, Sprecher der Finanzabteilung, erwähnt die Anwendung gesetzlicher Grundsätze oder Pflichten auf die Pandemie. Auch in den kommenden Jahren ist mit Zuwächsen zu rechnen, etwa im Bereich Asyl, Sicherheit und Gerichte. Das Gehalt in der Bundesregierung ist vergleichbar mit Unternehmen ähnlicher Größe.
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